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  27.12.2004
 

Mitleidlose Bilder aussagekräftig inszeniert

Georg Büchners Drama »Woyzeck« auf der Werkstattbühne Würzburg

Im Grunde besteht Georg Büchners Drama »Woyzeck« aus Bruchstücken. So ist es uns überliefert. Dennoch fügen sie sich unweigerlich zusammen zum Bild eines tragischen Sozialdramas. Eng an dieser für ihre Zeit revolutionären Vorgabe entlang inszenierte Manfred Plagens das Stück in der Würzburger Werkstattbühne als Folge fragmentarischer, in sich aussagekräftiger Szenen.

Drei tragbare Klötze genügen dabei zur Markierung von Schauplätzen; an den Wänden finden sich »Zitate« aus dem bürgerlichen Umfeld, in dem Woyzeck mehr vegetiert als lebt; die Schauspieler tragen heutige Kleidung (Ausstattung Verena Hemmerlein), die Zuschauer sitzen wie um eine Arena herum. So wird das Publikum zum Zeugen eines sich immer auswegloser entwickelnden, vorhersehbaren Untergangs. Schon die Eingangsszene mit dem schüchternen, stillen Woyzeck, wie er den Boden nach beängstigenden Geräuschen abhört und abklopft, und dem eher unbeteiligt pfeifenden Andres gibt die wichtigsten Hinweise auf später.

Doch auch ein bisschen bescheidene »Show« hat die Regie unter das bedrückende Ganze gemischt. Da dürfen beim Jahrmarkt die Girls die Nummern ansagen per Mikro, und das vorgeführte »Tier« ist eine Art menschliche Karikatur mit seiner abnehmbaren Maske. Dagegen macht die smarte Frau Doktor, zuerst im weißen Mantel, später im schneidigen Manager-Outfit, sich selbst lächerlich, auch wenn sie sich ungeheuer wichtig nimmt. Dass der Tambourmajor (Marc Deiterding) entgegen dem Büchner-Text weniger an einen Baum erinnert, liegt wohl an Schwierigkeiten der Besetzung der Rolle. Ansonsten aber beeindruckte das Darsteller-Team: Alexander Blühm war ein introvertierter, leiser, gutmütiger Woyzeck, ein Opfer der Gesellschaft und der Armut. Marie, sehr überzeugend von Caroline Wörz gegeben, leidet an ihrer inneren Zerrissenheit, hält aber alles für sinnlos: Einerseits will sie sich mit anderen Männern ein wenig Glück ertrotzen, andererseits fühlt sie sich schuldig gegenüber Woyzeck, der alles für sie tut. Sie verachtet sich selbst, weil sie ihn betrügt, und scheint ihren Untergang zu provozieren.

Auch der Doktor, sehr arrogant und glatt, von Silvie Kraemer gespielt, und der selbstzufriedene und faule Hauptmann (Wolfgang Stenglin) nützen Woyzeck aus als menschliche Ware. Die übrigen Darsteller, die wechselnde Rollen erfüllten, waren Beispiele für mitleidsloses Verhalten. »Jeder Mensch ist ein Abgrund«, lässt Büchner sagen. Der Mord erscheint so, von den Sensationslüsternen begafft, als schicksalhaft, als innerer Zwang, als eine Konsequenz aus den Verhältnissen. Trotz des tief pessimistischen Grundzuges gab es lange begeisterten Beifall. 

Renate Freyeisen

 

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