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  18.04.2002
Jenseits des Runzligen   

Yasmina Rezas "Kunst" im Theater Ensemble

Serge ist Dermatologe und liebt die Kunst. Deshalb hat er sich das Bild gekauft, mit dem er schon seit Monaten geliebäugelt hat: einen "echten Antrios", ein weißes Bild mit weißen Streifen oder, besser gesagt, mit einem ganzen Kosmos an Ausdruckskraft und innewohnendem Farbspektrum! So man das denn sehen könnte oder wollte. Doch Freund Marc, unbeeindruckt von Wert oder "Vibration" des Bildes, empört nur eines: "Du hast 50 000 Euro für diese weiße Scheiße bezahlt!?" Das sitzt, die Gräben sind tief, und auch Ivan, der Dritte im Bunde der 20-jährigen Männerfreundschaft, vermag nicht mehr zu vermitteln, so gerne er auch wollte.  

Die moderne Malerei kommt in der Komödie "Kunst" von Yasmina Reza nicht so gut weg, was aber unbedeutend ist. Ein monochromes Bild wird zum "corpus delicti", an dem sich Weltsicht und Wertvorstellungen auf eine besonders krasse Art reiben und eine lebenslange Freundschaft erproben. Vermischt mit den heutigen Problemen aus Partnerschaft und Beruf, erhofften Lebensperspektiven und gesellschaftlicher Akzeptanz gelang der Autorin ein Welterfolg, der jetzt unter der Regie von Angelika Hofstetter auch Einzug ins Würzburger Theater Ensemble (Frankfurter Straße 87) gefunden hat. Und weil es in dem Stück ums Grundsätzliche geht, das immer schon einmal gesagt werden musste, wird bitter, eifrig und eifersüchtig um den eigenen Standpunkt gerungen, bis aufs Blut gereizt, gestritten, ja sogar gekämpft.

Sollte man sich als Zuschauer das antun? Unbedingt.

Was Hofstetter, ansonsten Schauspielerin am Mainfranken Theater, in ihrer ersten Regiearbeit vorlegt, ist sehenswert. Ihr sicheres Fingerspitzengefühl für psychologische Momente trifft auf Darsteller, die ihr die feine, köstliche Inszenierung rund um die drei Prinzipienreiter ohne Einbrüche ermöglichen. Wolfgang Stenglin mimt Serge, den beleidigten Möchtegern-Ästheten, der Empfindsamkeit mit Empfindlichkeit verwechselt und sich in Rhetorik gefällt. Bewundernswert genau vermittelt Stenglin männlichen Reiz-Reaktions-Mechanismus auf der Basis von Trotz und Rachsucht. So attackiert er Marc indirekt über dessen Freundin: Sie sei "jenseits des Runzligen".

Andreas Büettner hat eine differenzierte und geschulte Ausdrucksfähigkeit für Marc, der austeilt, aber nicht einstecken kann und letztlich unter der ruppigen Schale seine bis zum Schluss verborgene Angst vor Verlust und Veränderung versteckt.

Auch Joachim Fildhaut überzeugt als Ivan, der "Clown", in Mimik und Gestik in dem nicht einfachen Part eines Wirrkopfs, der bedrängt von den "Dingen an sich", larmoyant, aber stets verbindlich gestimmt, überfordert damit ist, einmal "eine eigene Meinung zu haben". Begeisterter Applaus.

Angelika Summa

 

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