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  17.11.15

Unser gemeinsamer Feind

Bertolt Brechts Puntila in der Theaterwerkstatt

 

WÜRZBURG Gutsherr Puntila ist ein richtig netter Kerl. Er will, dass es seinen Leuten gut geht – aber leider nur, so lange er betrunken ist. Sobald ihn aber „ein Anfall von Nüchternheit“ ereilt, kommt seine andere Seite hervor, kleinlich, geizig und gemein, ein Ausbeuter wie jeder andere. Bertolt Brecht schrieb die Komödie „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ über den Großgrundbesitzer mit zwei Gesichtern im finnischen Exil und schuf damit eine Figur zwischen rauschhafter Menschenfreundlichkeit und kaltschnäuzigem Zynismus.

Am Samstag hatte das von Brecht 1940 als „Volksstück“ betitelte Drama in der Würzburger Theaterwerkstatt Premiere, mit einem herausragenden Wolfgang Stenglin als Puntila in der Hauptrolle. Die Regie führte Cornelia Wagner – mit Liebe zum Detail, zum Text und zu Brecht.

Sie hat sich für den ganzen Text entschieden. Etwas weniger wäre bei fast drei Stunden Spielzeit im kleinen, spätestens nach der Pause stickigen Kellertheater wahrscheinlich ausreichend gewesen. Eine ansonsten aber inspirierte und schwungvolle Inszenierung machen Länge und Luft dann wieder wett. Mit einer einfachen Kulisse und farbigen, plakativen Kostümen, die die Charaktere auf der Bühne leicht karikieren, erreicht Wagner ein schönes Ergebnis.

Auch und gerade die Nebenrollen (Claudia Tsong, Dagmar Schmauß, Lisa Schopf und Kerstin Lauterbach als Bund der Bräute sowie in weiteren Rollen) wie auch Philipp Härtig (unter anderem der für Tochter Eva vorgesehene Bräutigam) und Andreas Münzel kommen so gut raus. Hannah Kirzeder spielt die Eva pink und blond, doch nicht dümmlich. Überhaupt sind alle Darsteller mit Elan und Herz dabei, das ist deutlich spürbar. Stimmlich glänzen kann Dagmar Schmauß mit ihrer Ballade vom Förster und der Gräfin und dem Pflaumenlied.

Das Puntilalied (mit der Musik von Paul Dessau) hat Wagner auf etliche Rollen aufgeteilt. Nicht alle Töne sitzen, aber der Gesamteindruck stimmt. Stephan Ladnar setzt dem schlitzohrigen und (wenn betrunken) geradezu liebenswerten Puntila einen trockenen, fast humorlosen Matti entgegen, der in keinem Moment weinseliger Verbrüderung das Leiden der kleinen Leute auf dem Hof vergisst und damit verhindert, dass die Handlung allzu locker-flockig wird. Mattis Realismus gegen Puntilas romantische Gelegenheits- Menschlichkeit: stark.

Stenglin ist es zu verdanken, dass Puntila all das ist, was er sein soll: hart und zynisch, menschlich und naiv. Man glaubt ihm, dass er lieber immer der freundliche Betrunkene wäre – der Nüchterne, so vertraut er sich einmal seinen Untergebenen an, sei „unser gemeinsamer Feind“. Brechts wohl witzigstes Stück zu diesem Thema, witzig gemacht. Viele Lacher, häufiger Szenenapplaus.

ULRIKE WOLK

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