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  15.15.15

Alkoholvernichter

Brechtstück in der Theaterwerkstatt Würzburg begeistert

In eine finnische Sauna führt das Volksstück von Bert Brecht „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ in der Würzburger Theaterwerkstatt. Dort, wo sich die verschiedenen Gesellschaftsschichten unter Dampf und Alkohol scheinbar näher kommen, beginnt die äußerst unterhaltsame Inszenierung von Cornelia Wagner.

Doch schon der Anfangs-Song macht klar: Hier wird exemplarisch vorgeführt, dass Reich und Arm nie zusammenkommen können. Denn Gutsbesitzer Puntila behandelt nur im Suff seine Mitmenschen und Untergebenen „menschlich“; aber wenn er nüchtern ist, wird er zum Tier, „zurechnungsfähig“ zum rücksichtslosen Ausbeuter. Sein Chauffeur Matti dagegen wehrt die Anfälle von alkoholgetränkter Freundlichkeit seines Herrn ab, bleibt zu ihm in kritischer Distanz, immer korrekt und schlägt sogar das unter Suff gemachte Angebot seines Herrn aus, dessen Tochter Eva zu heiraten; die hat keine Lust, den blasierten, überschuldeten Attaché zu ehelichen, und schon längst ein Auge auf Matti geworfen, ziert sich aber noch etwas. Doch der lässt sie in einem grotesken Examen als Proletariergattin durchfallen. So platzt die vorgesehene Verlobung, und auch Puntila, kurzzeitig nüchtern, löst seine Verlobung mit vier Bräuten aus dem Dorf, die sich allerdings nichts Dauerhaftes, sondern nur ein wenig Spaß ausgerechnet hatten. Nach diesem ganzen Durcheinander gelobt Puntila Besserung: Er will den Alkohol vernichten, indem er ihn austrinkt, und baut sich aus den Flaschen einen Berg, von dem aus er voller Stolz sein Land überblickt. Da reicht es Matti; er geht, denn „den guten Herrn, den finden sie geschwind, wenn sie erst ihre eignen Herren sind“. Trotz aller belehrenden Dialektik ist dieses Stück mit den schnellen Szenenfolgen und den dazwischen geschobenen balladesken Liedern höchst vergnüglich, auch dank der bunten, karikierenden Kostüme.

Zwar hätten ein paar Kürzungen gut getan, aber vor allem die herrlich gegensätzlichen und auch komischen Akteure begeistern. Wolfgang Stenglin war ein wunderbarer Puntila, im Rausch geschwätzig, aufgeschlossen, umtriebig und jovial, nüchtern jedoch hart, brutal und laut; Stephan Ladnar als sein absoluter Gegensatz Matti blieb immer beherrscht, abwartend freundlich, ungerührt verbindlich und somit seinem Herrn überlegen.

Hannah Kirzeder als Eva, eine gespielt naive Blonde ganz in Rosa, die sich zum Schrill-Grotesken steigert, und ihr dümmlich eingebildeter Möchtegern-Attaché, Philipp Härtig, reizten immer wieder zum Lachen. Er schlüpfte auch noch in andere Rollen ebenso wie Andreas Münzel als unbeholfener Surkkala und glänzte durch Wandlungsfä­higkeit ebenso wie die vier Dorfschönheiten (Dagmar Schmauß, Claudia Tjong, Carina Kuhn und Sina Neuberger), die auch andere Personen aus dem niederen Stand verkörperten. Für das ganze Team nach drei Stunden langer, begeisterter Beifall.

Renate Freyeisen

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