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  27.12.2001
 

Höchst amüsante Persiflage eines Kultfilms   

Das Play-Back-Spiel feierte im "theater ensemble" der Domstadt Würzburg seine Premiere

Casablanca ist Kult, Casablanca ist Kitsch, Casablanca ist eine Orgie der Sentimentalität mit Muss-Status für Cineasten - weshalb nicht einmal Casablanca parodistisch? Das "theater ensemble" Würzburg startete unter der Regie von Andreas Büettner in Form eines Play-back-Theaters eben diesen Versuch, der zum Amüsement des Premierenpublikums vollauf gelang. Eine schwarze Bühne, fünf Stühle. Sonst nichts. Aus dem Off die sonore Filmstimme des Erzählers. Man befindet sich inmitten eines der Knoten der von den Flüchtlingen des Zweiten Weltkriegs gebahnten Verkehrswege: Casablanca, Kulminationspunkt der Hoffnung all derer, für die das Ausreisevisum nach Lissabon nicht nur den Weg ins Friedensland der unbegrenzten Möglichkeiten eröffnet, sondern direkt über Tod oder Leben entscheidet. Pantomimische Geh-, Schwimm- und Zugratterbewegungen deuten die Flucht der Exilierten in die verheißene Stadt auf noch unbesetztem französischem Boden an. Armschwenkendes Marschieren im vierfachen Gleichschritt steht symbolisch für die Truppenbewegungen. Knatternde Flugzeugmotorengeräusche in der Ferne am Himmel - vier Augenpaare wenden sich gen Theaterdecke, offenbaren Sehnsucht. Endlich gelangt man ins Herz der Geschichte, deren Mittelpunkt das legendäre Paar Humphrey Bogart alias Rick alias Richard Blaine und Ingrid Bergman alias Ilsa Lund bildet.

Ein romantisches Paar. Ein tragisches Paar. Ein Paar wie aus einem Märchen. Und gerade so klischiert. Rick ist das Sinnbild des prinzipientreuen, vor männlichem Selbstbewusstsein strotzenden Überkerls, der nicht diskutiert über Für und Wider, der einfach tut, und zwar das, was ihm nützt ("Ich halte für niemanden den Kopf hin!"). Was er wirklich ist, verbirgt sich hinter einem schützenden Panzer aus schlagfertigem Zynismus. Sein Widerpart Ilsa ist das Abbild einer Frau, die in männlichen Schatten gedeiht.

Man hat es nicht mit Persönlichkeiten zu tun, sondern mit grob konturierten Figuren. Wie "daneben" die Figurenzeichnungen sind, wird nirgends besser als in der Persiflage entlarvt. Er, der im Vollzug der Handlung immer menschlicher und herzensgütiger werdende Held, sie, das immer verwirrtere Weibchen mit immer weherem Herzen, das ihn für sich denken lässt. Den Architekten der Story kam es nicht auf psychologische Glaubwürdigkeit an, weshalb die Geschichte, wenn auch dramaturgisch durchdacht, in diesem Zeitalter der Emanzipation phasenweise reichlich lächerlich anmutet. Die parodistische Imitation unterstreicht die Absurdität der Handlung in dem Maße, als die Eliminierung der Zelluloidbilder die ans unerträgliche grenzende Rührseligkeit der violinenschwangeren Hintergrundmusik unterstreicht. Der Plot lässt sich im Fortgang der Handlung immer weniger ernst nehmen, und genau das ist die Absicht des Ensembles. Ein Kultdenkmal stürzt ein, doch man bedauert nichts, im Gegenteil, es ist ein köstlicher Spaß mit allem, was eben dies Kultige ausmacht - "ich seh dir in die Augen, Kleines"

Esme Koslitz mit übergestülpter Rauschgoldengelperücke zieht alle Register jener Mythologie des Weiblichen, die der Figur der Ilsa von den männlichen CasablancaDrehbuchautoren zu Grunde gelegt wurde. Eine Frau ist etwas Pflanzenhaftes, das auf Grund ihrer fließenden Weichheit beanspruchen darf, verehrt zu werden. Eine Frau ist etwas, das Mann besitzen kann. Die Frau ist des Mannes Gradmesser: Je schöner sie, um so bedeutender muss er sein. Eine Frau liegt dem Mann ergeben zu Füßen oder hängt ihm ängstlich am Hals. Wo er sich Sarkasmus erlauben darf, schwingt in ihrer Stimme meist ein heimliches Schluchzen mit. Und will er sie küssen, lässt sie ihren elastischen Körper weit nach hinten biegen.

Großartig Marco Peter, der in sich die Kontrahenten Viktor Laszlo und Major Strasser verkörpert. Die Wechsel von Figuren und Mützen sind fliegend und werden von Koslitz in hervorragendem Zusammenspiel mit Peter mühelos nachvollzogen - mal hängt sie dem Untergrundkämpfer Laszlo am Arm, mal starrt sie Strasser an.

Michael Völkls Rick, die ewig glühende Kippe im schiefen Mund, ist getreu der filmischen Vorlage wunderbar herablassend und blasiert, cool und machohaft. Aber innerlich, wie man sieht, von der Erfahrung verlorener Liebe vergiftet. Eine Drehung des Körpers, und man befindet sich im Reich bittersüßer Erinnerungen. Wie war das damals, als die Deutschen kurz vor Paris standen - und er weg wollte mit Ilsa und die nicht zum Bahnhof kam. Dieser abrupte Wandel der Gesinnung. Als hätte sie nicht erst vor wenigen Stunden Liebe auf ewig geschworen. Des Rätsels Lösung wird für die Schlussszenen aufgehoben. Sie kommt ebenfalls als Märchen daher - der tot geglaubte Gatte, erfuhr Ilsa, ist entgegen anders lautender Behauptungen am Leben.

Wolfgang Stenglins Pokerface schließlich ist für Posse und Parodie geradezu prädestiniert, souverän verhilft er Captain Louis Renault zu distinguiertem Bühnenleben. Sam, das leitmotivisch Beständige, der Ruhepol in der Handlung wird meist von allen vieren gleichzeitig gespielt; einmal auch von Stenglin alleine, was unübertroffen bleibt. Wie alles andere ist auch Sams Klavierspiel Pantomime und Playback. Fast parallel zum Film. Denn da singt Dooley Wilson als Sam zwar tatsächlich einige Songs wie "As time goes by", das Klavierspiel jedoch stammt von Studiomusiker Elliot Carpenter. Auch Wilson tat also nur so, als ob er spielte. 

Pat Christ

 

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