Wolfgangs Theaterseite

 

 

 

Presse

Zurück

 

  11.08.2001
 

Komödie um abenteuerlustigen Provinznaivling

Klassische Verwechslungsgeschichte im Efeuhof des Würzburger Ratskellers / Beiseitesprechen stört

Geige und Klavier könne sie spielen, drei Sprachen beherrsche sie, und natürlich sei sie in einem erstklassigen Gymnasium gewesen - kein Salespromoter hätte die Tochter, die dringend verheiratet werden muss, effektvoller anpreisen können. Und da Worte allein beim Kuppelfeldzug nicht ausreichen, ist es angeraten, den Körper zum Einsatz zu bringen, das Tanzbein ein wenig zu schwingen. Es ist denn auch der Verführungstanz der Tango-Tigerin Franziska Wirth alias Gesine Pfeiffer, der neben der späteren Liebeserklärung von Michael Völkls Freddy Klapproth und vor allem neben dem exaltierten Deklamationen des Theaterfreaks Eugen Rümpel zu den Höhepunkten der Verwechslungskomödie "Pension Schöller" zählt, die in einer Produktion des Theater Ensembles am Donnerstag im Würzburger Efeuhof Premiere feierte. Der Dreiakter von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby, 1889 uraufgeführt, zählt zu den bekanntesten Volkskomödien.

Hauptfigur Herrmann Klapproth glaubt sich in der Pension Schöller in einer Anstalt für psychiatrisch Erkrankte, er trifft dort auch auf allerhand skurriles Volk, und weil Menschen mit geistiger Schwäche gemeinhin in Verdacht stehen, rasch zu rabiaten Mitteln zu greifen, wenn ihnen etwas nicht passt, setzt er alles daran, bloß keinen zu verletzen oder zu schmähen - sondern stimmt allen Verrücktheiten treuherzig zu. Wolfgang Stenglin, Frontmann der Würzburger Kabarettgruppe "Die Rotstifte" und erstmals bei einer Sommertheater-Produktion des Theater Ensembles beteiligt, gibt Onkel Klapproth naiv, voll kindlichen Gemüts; dennoch bleibt seine Figur unter der Regie von Theaterleiter Norbert Berthau und Uwe Dietrich bisweilen etwas blutleer. Wo beispielsweise Marco Peter als Thomas Kißling, der Freund Freddy Klapproths, in unpassender Weise überzogen agiert, ist die Figur von Herrmann Klapproth zu wenig pulsierend angelegt.

Als Star der Produktion entpuppt sich, nicht zum ersten Mal, Nicolai Will als Eugen Rümpel, ein im wirklichen Leben schüchternes, auf den imaginären Brettern, die die Weit bedeuten, aufblühendes Bürschchen, dessen ganze Seligkeit in dem Traum einer großen Schauspielerkarriere liegt. Sicher, Wills Rolle ist wegen des Rümpel zugeschriebenen Sprachfehlers - es will dem angehenden Bühnenstürmer nicht gelingen, das "L" als "L" auszusprechen, stets kommt ein "N" heraus - dankbar, viel dankbarer als die Rolle des Herrmann Klapproth, die auf defensives Reagieren und auf maßlose Verwunderung angelegt ist, doch es braucht eben Nikolai Wills Verve und überschießende Energie, um all das aus seiner Rolle herauszuholen, was an mitreißender Komik auch mehr als 120 Jahre nach dem Entstehen der Komödie um einen abenteuerlustigen Provinznaivling steckt. Nach Kräften nutzt Will die Chance, sich ausagieren zu können.

Obwohl Regisseur Uwe Dietrich den Text von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby auf Anachronismen durchforstet und modernisiert hat, kann "Pension Schöller" nicht wirklich als moderne, zeitgemäße Komödie gelten, störend insbesondere ist das gehäuft auftretende Beiseitesprechen, die Kommentierung des eben Geschehenen - anstatt dass dieses mimisch und gestisch zum Ausdruck käme; an diesen Stellen bleibt die Handlung jeweils für einen Atemzug stecken, was zwar nicht immer die Heiterkeit killt, auf die Dauer jedoch erheblich irritiert. Verwirrend sind auch einige situative Ungereimtheiten. So ist die von Ursula Hoede hausfraulich ausgearbeitete Figur der Ulrike Klapproth, Schwester des Protagonisten, einmal mit einem Handy zu sehen. Wenige Momente später muss Herrmann Klapproth, dessen Bauernhof inzwischen voller angeblicher Irrer ist, unbedingt in die Stadt fahren, um Schöller, den Pensionsinhaber, herbeizuholen - als gäbe es keine Telefone.

Gut gelungen ist dem Regieteam ein ständiger Tempo- und Spannungswechsel: Ruhigen Szenen wie die zwischen dem. Liebespaar Freddy Klapproth, von Michael Völkl in authentischer Verzweiflung gegeben über einen Onkel, der glaubt, einmal über die Stränge schlagen zu müssen, und Karin Wilz als charmante Frederike, wechseln mit turbulenten, den kompletten Bühnenspielraum ausnutzenden Szenen wie jene, in denen Dagmar Schmauss' überkandidelte Schriftstellerin Annemarie Krüger von ihrer eigenen Fantasie hinweggespült wird. Witzig auch die knappen, aber effektvollen, "blaubärigen" Auftritte von Norbert Bertheau als schroffer Kapitän Gröber, auflockernd Hermann Geists Akkordeonspiel. Michael Franz, der für den erkrankten Werner Saal einsprang, dürfte seiner Figur des Pensionsinhabers noch einen Schuss mehr spezifischen Ausdruck geben, er verliert bisweilen gegenüber den anderen Ensemblemitgliedern an Standfestigkeit.

"Pension Schöller" ist ein unbeschwertes Theatervergnügen in der Tradition der Verwechslungskomödien, an manchen Stellen kann herzhaft gelacht werden - und doch darf die Frage gestellt werden, ob es diese Art von Komödie noch ist, die das heutige Publikum sehen möchte, ob es nicht doch, trotz lauer Sommernacht, etwas Tiefgängigeres, Substanzielleres sein darf, es muss ja nicht gleich psychologisch überlastig sein. Oder wenn schon, dann, angekoppelt zum Beispiel an Nikolai Wills übersprudelnde Auftritte oder an die "Volksoper"-Inszenierung, völlig schrill - was aber gewiss auch nicht das Publikumsgros bedient.

Pat Christ 

 

. 

Zurück