Wer die Untreue in die Welt brachteDas Theater Ensemble begeistert mit "Die Liebe - ein seltsames
Spiel"
Würzburg Die letzte Premiere des diesjährigen Würzburger
Theater-Sommers ging im Efeuhof des Rathauses über die Bühne. "Die
Liebe - ein seltsames Spiel" heißt das Stück. Es ist sehr witzig,
sehr unterhaltsam, manchmal auch sehr anrührend.
Welches Geschlecht, Mann oder Frau, hat Unbeständigkeit und Untreue in
die Welt gebracht? Ein Experiment soll Antwort bringen, wir werden Zeugen.
Die Welt und ihre ersten Liebenden erscheinen vor unseren Augen, im
Ursprungszustand der Herzen, mit reinen Seelen.
Pierre Carlet de Marivaux hat den Menschenversuch erdacht. Seine Komödie
"Der Streit" hatte 1744 in der Pariser Comédie Française
Premiere. Sie ist brillant, charmant und blöd. Marivaux verwendete das öde
Klischee von schönen, aber zickigen Weibern, die gute, aber geile Kumpels
entzweien. Angelika Hofstetter, ehemals Schauspielerin am Mainfranken
Theater, übersetzte und bearbeitete die barocke Schmonzette neu, das Stück
war vor zwei Jahren unter seinem Originaltitel im Theater Ensemble zu sehen.
Im Efeuhof steht wieder das Theater Ensemble auf der Bühne, diesmal führt
Hofstetter selbst Regie. Sie hat die Klischees einigermaßen entschärft und
der Frage nach dem unbeständigen Geschlecht eine neue, die wirklich
wichtige, hinzugefügt: Was ist Liebe? Eine Frau (Dagmar Schmauss) und ein
Mann (Wolfgang Stenglin) führen durchs Experiment. Zwei junge Frauen, Eglé
(Carola Schmelter) und Adine (Esme Koslitz), sowie zwei junge Männer, Azor
(Tobias Neumann) und Mesrin (Michael Völkl), sind die Probanden. Die Männer
verfallen den Frauen, weil sie so schön sind. Die Frauen verfallen den Männern,
weil die Männer sie lieben.
Das Publikum erlebt ein Liebesspiel auf die Schnelle: kennen lernen, entzücken,
verlieben, hingeben, dann Ängste, Eifersucht und Trennung - wer hat Schuld
am schlechten Ende? Ist völlig egal. Die Ereignisse sind absurd und sorgen
für Heiterkeit. Die vier jungen Leute sind springlebendig, kindlich und
suchend, leicht entzündbar, sie begehren, zürnen und trauern, alle sind
unstet, wankelmütig und bereit, jeden Liebesschwur zu schwören und zu
brechen.
Star des Abends und Hofstetters toller Streich aber sind Leute von der
Straße. Hofstetter fragte in der Stadt Passanten nach der Liebe, nahm die
Antworten auf Video auf und machte sie zum Teil des Stücks. Was da
zusammengekommen ist an Lebensklugheit und Geschwätz, an traurigen und
lustigen Geschichten, an Wärme und Ängsten, ist womöglich das Allerbeste
an diesem wunderschönen, anregenden Theaterabend.
Wolfgang Jung
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