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  06.08.2004
 

Rokokokonversation mit Pfiff

Psychologisch ausgefeilter Freilicht-Marivaux in Würzburg

Gehört Untreue zum „Ursprungszustand des Herzens“? Und, wenn ja: eher beim Mann oder bei der Frau? In schönster Rokokomanier müssen zu diesen Fragen isoliert aufgezogene Naturkinder als Demonstrationsobjekte herhalten. Und siehe: Der Mensch ist ein unbeschriebenes Blatt, aber unendlich narzisstisch.

Laufender Szenenapplaus feierte Marivaux' Komödie am Wochenende im Würzburger Efeuhof bei ihrer  Uraufführung. Denn Regisseurin Angelika Hofstetter – vier Jahre lang eine der prägnantesten Schauspielerinnen am Mainfranken-Theater – hat das Stück „Der Streit“ radikal neu übersetzt: Teils ganz nah am Original mit Sätzen wie „Das ist ein sehr charmantes Objekt“, teils so frei, dass sie zwei kleine Rollen mit Dialogen eines anderen Marivaux-Stücks aufwertete; so hat man mehr von den Darstellern Esme Koslitz und Michael Völkl. Eingefasst mit zwei Kabarettnummern und einer Videocollage heißt das gut proportionierte Werk nun „Die Liebe – ein seltsames Spiel“.

Dass es auf der lauschigen Freilichtbühne derart prickelt und zischt, verdankt sich der Chemie von dichter Personenführung und Spielfreude, ja Spielwonne der Ensembletalente. In zeitlos-weißen Schlichtgewändern geben vor allem beide experimentelle Liebespaare mimisch große Oper. Der Witz dabei: Die jungen Leute nehmen Seelenregungen, die ihre Figuren hin und her reißen, ganz ernst. Deswegen wirkt ihr groteskes Bühnengebaren nie komisch-aufgesetzt. So hält die 17-jährige Carola Schmelter das Gleichgewicht zwischen Stummfilmästhetik und unschuldigem Girlyismus. Mit Tobias Neumann hüpft ihr ein ebenbürtiger Partner zur Seite. Dabei hat jede Bewegung – auf der Bühne ist immer was los – ihren Sinn. Mit acht Darstellern in zehn Rollen kann sich „Die Liebe“ auch vom Aufwand her mit den meisten Sommertheatern Frankens messen. Qualitativ setzt die saubere Bühnenarbeit aller Beteiligten ohnehin Maßstäbe

Joachim Fildhaut

 

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