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  14.07.2006

Zirkuskunst in furchtbaren Zeiten 

Carl-Zuckmayer-Komödie "Katharina Knie" am Würzburger Stein zu sehen

Der Vorschlag kommt unerwartet. Und er befremdet. Katharina, schlägt Bauer Rothacker vor, soll doch zu ihm aufs Gut kommen und die Landwirtschaft lernen! Im ersten Moment ist Karl Knie erschüttert. Seine Tochter eine Bauernmagd? Katharina, die Zirkuskünstlerin, soll das Hochseil für den Kuhstall eintauschen?

Mit der Zirkuskomödie "Katharina Knie" von Carl Zuckmayer traf das Ensemble des Würzburger Theater Chambinzky eine gute Wahl für die diesjährigen Freilichtspiele an der neuen Spielstätte am Würzburger Stein. Regisseurin Gwendolyn von Ambesser verfolgt diesmal nicht die Absicht, ein Stück zum Ablachen, zum reinen Pläsier auf die Bühne zu bringen. In ihrer sensiblen Inszenierung entführt sie in eine Zeit, in der es den Menschen nichts weniger als zum Lachen war.

Zwischen den beiden Weltkriegen ist die 1928 uraufgeführte Komödie, die am Dienstag begeisterte Premiere feierte, angesiedelt. Die Inflation macht den Menschen zu schaffen. Der zurückliegende Krieg ist noch präsent.

Die Zeiten sind furchtbar und keiner weiß, ob sie jemals besser werden. Karl Knie, den Oskar Vogel als milder, wenngleich auf die ungeschriebene Ehre des fahrenden Volks pochender Herrscher über die kleine Zirkustruppe gibt, ein Mann mit gespielter Strenge bei goldenem Herzen (selbstlos nimmt er den Italienerjungen Mario auf), der an der Spitze einer nur noch mühsam zusammen zu haltenden Truppe steht, hat es besonders schwer in Zeiten, in denen den Menschen der Wunsch nach Speise näher steht als der nach Kunst.

Die Zirkustruppe ist nahezu besitzlos geworden. Von Fleischtöpfen können die Artisten nur träumen. Die wenigen Tiere, die noch nicht verkauft werden mussten, sind für Auftritte längst nicht mehr zu gebrauchen. Selbst von den Gäulen haben sich die Artisten verabschieden müssen.

An Alkohol gibt es im besten Fall Karl Knies selbst erzeugten Ameisenspiritus. Eine der letzten Kostbarkeiten, eine silberne Zuckerzange, fällt in die Hände von Gerichtsvollzieher Membel (herrlich wandlungsfähig: Wolfgang Stenglin als steriler Gerichtsvollzieher im ersten und ausgeflippter Tätowierer im zweiten Akt).

Zum Kampf ums materielle Überleben gesellen sich die Vorurteile des Volks gegen die Fahrenden. Christian Kelle als Polizeikommissär Dillinger repräsentiert die Staatsmacht als bösen Feind der Freiheit verkörpernden, in Freiheit lebenden Artisten.

Aus seiner Vorurteil belasteten Meinung über die Zirkusleute macht der Polizist keinen Hehl. Schon lange habe er ein suspektes Auge auf die jährlich wiederkehrende Truppe geworfen. Will Katharina (einfühlsam interpretiert Mo Marten die Rolle der einzigen Tochter des alten Knie) die Zirkusfamilie deshalb verlassen?

Nein, es ist nicht die reine Freude am Leben als Bäuerin, die sie sofort einwilligen lässt, mit Bauer Rothacker zu gehen. Es geht ihr auch keineswegs darum, Gerechtigkeit wiederherzustellen, hat sie den Bauern doch bestoh-len.

Sie will nicht bleiben, weil sie sich in Rothacker, diesen von Dietmar Modes so wunderbar rustikal ausgedeuteten Landwirt, verliebt hat. Sehr schön die Annäherung der beiden in Liebesdingen so offenbar gänzlich Unerfahrenen. Ein großes Kompliment gebührt Gwendolyn von Ambesser dafür, dass sie mit so wenigen Schauspielern achtköpfig ist die Artistentruppe ein schillerndes Bild von der Gemeinschaft der Zirkusfamilie zu zeichnen vermag.

Die einzelnen Mitglieder (Christoph Weidmann schlüpft in die Rolle des Fritz Knie, Tobias Illing in die seines Bruders Lorenz, Udo Jain spielt Ignatz Scheel, Uwe Hansen den alten Clown Julius Schmittolini, Gisela Groh ist in der Rolle der Bibbo zu sehen und Moritz Hagemeyer in der des Italieners Mario), die zwischen den lebendi-gen Dialogen jonglierend, Gewichte stemmend und Liegestützen übend zu sehen sind, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Ausgezeichnet Gisela Groh in der Rolle der guten Seele Bibbo, ihr Spiel ist von einnehmender Natürlichkeit, alles Gekünstelte in Wort und Körperausdruck versteht sie geschickt zu vermeiden. Groh versinnbildlicht eine Frau, die schon viel erfahren hat im Leben und aus dem Erfahrenen die richtigen Schlüsse zu ziehen im Stande war.

In allgemeiner Aufregung bliebt eine solche Frau nüchtern. In ihren Begegnungen mit Katharina erweckt sie den berührenden Eindruck der großen Schwester. Meisterlich erfüllen Sandra Haut und Johannes Schmidt auch in diesem Jahr wieder die Aufgabe, für ein buntes, ansprechendes, bezauberndes Sommertheaterbühnenbild zu sorgen, das von ihnen gebaute Zirkuslager macht es den Zuschauern leicht, sich in die exotische Welt des fahrenden Volks zu versetzen. Die berührendste Stelle im Stück ist die, wenn Karl Knie stirbt.

Hier verzichtet das Ensemble auf jede Theatralik. Allein die sensible Lichtregie unterstreicht die Traurigkeit des Moments. Mit dem Stück Katharina Knie kehrt das Theater Chambinzky zurück an den Würzburger Stein. Zwar wird nicht mehr auf dem gleichnamigen Weingut gespielt, dafür fand Theaterleiter Rainer Binz auf dem Areal des im Jahre 2002 geschlossenen Tennis-Center am Stein ein neues Domizil.

Pat Christ 

 

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